Corona und seine Folgen – Werden wir aus der Krise lernen?

06 Apr 2020

Ich muss zugeben, ein wenig Angst macht mir das Coronavirus schon. Ich bin Risikopatientin, ich weiß nicht, wie meine Mastzellen auf ein solches Virus reagieren würden. Allerdings weiß ich auch nicht, wie sie auf ein Influenza-Virus reagieren würden. Seit meiner Erkrankung wurde ich von einem solchen verschont, aber wahrscheinlich würde mich auch dieses in Not bringen. Aus diesem Grund hoffe ich einfach einmal, dass beide an mir vorübergehen.

Mich erstaunt das, was hier gerade passiert. Es scheint nur noch „Corona-Nachrichten“ zu geben. Dadurch wird auch eine gewisse Panik geschürt. Wie sonst sind Hamsterkäufe zu erklären? Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich ist Corona schlimm, natürlich ist jeder einzelne Tote schlimm und zu viel.

Andererseits finde ich es interessant zu sehen, wie schnell sich ein solches Virus auf der ganzen Welt verbreiten kann.

Dass sich meine Situation durch Corona nicht großartig verändert hat, erleichtert mir das Ganze etwas, muss ich zugeben. Ich verlasse das Haus seit Monaten fast nur noch für Arzt- und Apothekenbesuche – und dann auch nur mit Atemschutzmaske. Der Grund: Trotz der Basismedikation kommt es bei mir immer wieder zu Schüben und Verschlechterungen. Seit Weihnachten reagiere ich nun extrem stark auf Duftstoffe und Chemikalien. Ich musste sogar meine Matratze aus dem Bett entfernen, auf der ich zuvor 1,5 Jahre lang gut geschlafen habe. Plötzlich reagiere ich stark auf sie.

Doch all das soll hier gar nicht mein Anliegen sein. Was ich mich vor allen Dingen frage, ist Folgendes: Was wird Corona bewirken, was lernt unsere Regierung, unsere Wirtschaft aus der derzeitigen Lage?

Fangen wir doch einfach einmal mit folgender Frage an: Warum sterben in Italien derzeit so viele Menschen? Es mag einerseits richtig sein, dass dort viel mehr alte und junge Menschen zusammenleben als hierzulande, das Virus also viel leichter auf die ältere Generation übertragen werden kann. Allerdings glaube ich persönlich, dass das größte Problem das Gesundheitssystem ist. Genau dasselbe Problem hat auch England. Das dortige Gesundheitssystem kollabiert fast jedes Jahr bei der normalen Grippewelle.

Wenn ich dann Sätze höre wie zum Beispiel „Die Medikamentenversorgung ist gesichert“, dann werde ich jedes Mal sehr wütend. Und was passiert: Nichts! Es geht kein Aufschrei durch das Land! Es scheint, als seien alle mit solchen Aussagen zufrieden. Niemand setzt sich zur Wehr.

Wir sollen bei Medikamenten eine gesicherte Versorgung haben?? Gerade wir MCAS-Patienten erleben seit Monaten/Jahren, dass es ständig Engpässe gibt – auch in Zeiten vor Corona! Es gibt sehr viele Betroffene (und ich gehöre dazu), die sehr viele Arzneimittel nicht vertragen – nicht wegen der Wirkstoffe, sondern wegen der Füllstoffe. Da nutzt der Satz „Es ist nicht schlimm, wenn ein Medikament nicht lieferbar ist, es gibt genügend Generika.“ einem leider überhaupt nichts! NEIN!!! DEM IST NICHT SO. Wenn meine Medikamente nicht lieferbar sind, dann habe ich bald keine mehr. Die Folgen sind für mich verheerend!

Ganz viele meiner Leidensgenossen/-genossinnen wissen, wovon ich spreche. Es ist kein neues, aber in meinen Augen ein hausgemachtes Problem: Krankenhäuser sind mittlerweile Wirtschaftsunternehmen. Sie, und natürlich auch die Pharmafirmen versuchen, überall Kosten einzusparen.

Dies hat z.B. auch dazu geführt, dass viele Hilfsmittel wie Schutzkleidung und -masken sowie Wirkstoffe, nun in Asien hergestellt werden. Dort sind die Produktionskosten einfach niedriger als bei uns. Dies wäre nicht gravierend, wenn man nicht die gesamte Produktion dorthin verlagert hätte. Nun, in Zeiten von Corona, bemerken viele erst, wie existentiell es sein kann, von wenigen Standorten abhängig zu sein.

Viele von uns leiden z.B. an der Tatsache, dass im September 2019 der H2-Blocker Ranitidin vom Markt genommen werden musste, weil der Wirkstoff verunreinigt war/ist. Dass in der Folge dann alle Patienten auf Famotidin umschwenkten, war absehbar. Dass es anschließend zu nicht planbaren Engpässen kam, ist auch nachzuvollziehen.

Genauso schlimm: Es gibt nur ganz wenige Ärzte, die unsere Krankheit kennen und sie adäquat behandeln können. Dass wir mehr Medikamente und höhere Dosierungen brauchen als „normale“ Patienten, ist eine Tatsache. Dies führt zu weiteren Problemen bei unseren Ärzten: Sie werden in Regress genommen, weil sie Rezepte für diese Medikamente ausstellen, um uns zu helfen, dadurch allerdings ihr Budget sprengen. Sprich: Da nehmen sich Ärzte unserer seltenen Erkrankung an – und werden dafür bestraft! Das darf doch nicht sein!

Und wenn man versucht, diese Probleme bei unseren Verantwortlichen vorzubringen, stößt man auf ganz viele Hindernisse. Es scheint niemanden zu interessieren. Tja, leider haben wir, die wir an seltenen Erkrankungen leiden, keine Lobby!

Ich könnte noch endlos weiterschreiben. Es gibt viele Dinge, die bei uns nicht richtig laufen.

Ich träume davon, irgendwann darüber schreiben zu können, dass unsere Politiker (nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit) wirklich aufgewacht sind und aus der „Coronakrise“ gelernt haben. Leichte Ansätze sind erkennbar.

Im Allgemeinen würde das bedeuten, dass z.B. dafür gesorgt wird, dass Kranken- und Altenpflege endlich den Stellenwert bekommt, den dieser Bereich verdient. Wie kann es sein, dass Deutschland unter den Industrienationen der OECD die geringste Anzahl an Pflegepersonal pro Krankenhauspatient hat?

Ich würde mir wünschen, dass Pharmafirmen künftig dazu gezwungen werden, wieder in der EU zu produzieren, um die medikamentöse Versorgung zu verbessern. Auch Hilfsmittel wie Schutzkleidung und Schutzmasken sollten wieder in der EU produziert und nicht aus Asien importiert werden müssen. Ich möchte sehen, dass die Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, Verkäuferinnen etc. jetzt nicht nur für ihren Einsatz gelobt, sondern auch adäquat für ihre Arbeit bezahlt werden. Ich möchte sehen, dass unsere behandelnden Ärzte nicht mehr bestraft werden.

Es gibt so vieles, was man verbessern könnte.

Ich möchte Konfuzius zitieren:

„Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt“

Bleibt gesund!

Hoffnungsvolle Grüße

Eure Elke Stein-Hecky