Corona und seine Spätfolgen – Spielen Mastzellen eine Rolle?
16 Juli 2020
In den letzten Wochen häufen sich die Berichte von COVID-19-Patienten, die nach überstandener Infektion unter mysteriösen Spätfolgen leiden, für die es wissenschaftlich bislang noch keine eindeutige Erklärung gibt. Obwohl das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar ist, sind einige Betroffene weiterhin gesundheitlich beeinträchtigt.
Eine Untersuchung des King’s College London zeigt, dass die Symptompalette dieser Patienten vielschichtig zu sein scheint. Zu den möglichen Spätfolgen einer abgelaufenen Coronavirus-Infektion zählen demnach unter anderem:
- Erschöpfung
- Müdigkeit
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Atembeschwerden
- Kurzatmigkeit
- Geruchsverlust
- Durchfall
- Hautausschlag
- Herzrhythmusstörungen
Wissenschaftler müssen sich nun zwangsläufig die Frage stellen, was die Ursache(n) für diese bleibenden Folgen sein könnten. Die möglichen Gründe sind – wie in der Medizin üblich – vielfältig. Handelt es sich vielleicht um äußerst langwierige Krankheitsverläufe, bei denen das Virus nicht mehr im Blut nachweisbar ist, aber dennoch weiterhin im Körper der Betroffenen sein Unwesen treibt?
Die Forscher haben allerdings auch noch einen anderen Schuldigen im Verdacht: Unser Immunsystem! Entstehen die Langzeitbeschwerden vielleicht aufgrund einer überschießenden Immunreaktion des Körpers auf den Erreger, die eventuell nach überstandener Infektion in gewissem Maße bestehen bleibt?
Wenn man dieser Theorie Glauben schenkt, muss zwangsläufig natürlich auch die älteste Immunzelle im menschlichen Organismus in den Fokus der Wissenschaftler rücken: Die Mastzelle! Eine griechisch-italienische Forschergruppe stellte fest, dass Mastzellen zu den Entzündungsreaktionen beitragen, die durch COVID-19 ausgelöst werden. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn dieser Zelltyp hat einen enormen Einfluss auf die Steuerung des gesamten Immunsystems. Bislang gibt es allerdings nur wenige wissenschaftlichen Studien darüber, ob mastzellstabilisierende Medikamente in der Therapie von COVID-19 hilfreich sein könnten.
Ein Wirkstoff, der auch in der Therapie von Mastzellerkrankungen eingesetzt wird, ist allerdings in den letzten Wochen etwas stärker in den Fokus der Wissenschaftler gerückt: Das H2-Antihistaminikum Famotidin. Jüngst zeigte eine kleine Fallstudie unter 10 COVID-19-Patienten mit leichten bis mittelschweren Symptomen, dass die Einnahme von Famotidin (in den meisten Fällen in einer Dosierung von drei Mal täglich 80 mg), die durch das Coronavirus ausgelösten Beschwerden bereits 24 bis 48 Stunden nach erster Einnahme signifikant verbessert. Da in der Fallstudie nur der Krankheitsverlauf von insgesamt 10 Patienten untersucht wurde und es keine Kontrollgruppe gab, können die Ergebnisse natürlich nicht als besonders aussagekräftig betrachtet werden. Dennoch weisen Sie darauf hin, dass Famotidin den Verlauf einer COVID-19-Infektion positiv beeinflussen kann. Der genaue Wirkmechanismus ist bislang nicht vollständig geklärt. Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass Famotidin mit hoher Wahrscheinlichkeit das Enzym „Papain-like Protease“ (PLpro) hemmt, das das Coronavirus zur Replikation benötigt. Die antihistamine Wirkung scheint hier also eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.
Zurück zum eigentlichen Thema: Insgesamt habe ich (wieder einmal) den Eindruck, dass der Mastzelle auch beim Thema „Coronavirus“ zu wenig Beachtung geschenkt wird. Ich habe mittlerweile einige Berichte über die Langzeitfolgen von COVID-19 gelesen und in den Medien gesehen. Das Beschwerdebild, das die Betroffenen beschreiben, erinnert mich in vielen Punkten an das Symptombild, das ich zu Beginn meiner Mastzellerkrankung hatte.
Eine Mastzellerkrankung bricht typischerweise nach einem sogenannten „auslösenden Ereignis“ aus. Hierbei kann es sich beispielsweise um einen Unfall, eine stressige Lebensphase oder die Einnahme von (unverträglichen) Medikamenten handeln. Interessant ist hierbei: Ein sehr häufig auftretendes „auslösendes Ereignis“ ist eine Infektionserkrankung. Aus für die Betroffenen und deren Ärzte unerklärlichen Gründen, scheinen nach Ablauf der Infektion diverse Beschwerden bestehen zu bleiben. Der Grund: Die Infektion selbst hat eine starke Immunreaktion und eine hiermit verbundene Überaktivität der Mastzellen verursacht, die sich nach überstandener Infektion nicht wieder zurückbildet. Kurzum: Bei den Patienten hat sich eine Mastzellerkrankung entwickelt.
Genau dieses Szenario könnte auch bei einigen COVID-19-Betroffenen mit Spätfolgen eingetreten sein! Es bleibt zu hoffen, dass Wissenschaftler und Ärzte den Mastzellen in Zukunft mehr Beachtung schenken und zwar nicht nur beim Thema „Coronavirus“. Vielleicht könnte einigen Ex-Corona-Betroffenen mit Langzeitbeschwerden durch einfache Medikamente wie Antihistaminika und Mastzellblocker geholfen werden. Da dies bislang allerdings nicht ausreichend untersucht wurde, bleibt meine Aussage rein spekulativ.
Ich wünsche allen (Ex)-Corona-Patienten und natürlich auch allen Mastzellpatienten gute Besserung. Denkt daran: Am Ende wird alles gut!
Herzlichst
Euer Jean-Pierre Klöcker
Quellen:
Kritas, SK / G. Ronconi / A. Caraffa / C.E. Gallenga / R. Ross / P. Conti (2020): Mast cells contribute to coronavirus-induced inflammation: new anti-inflammatory strategy., in: Biolife – Scientific Publisher, [online] https://www.biolifesas.org/biolife/2020/02/04/mast-cells-contribute-to-coronavirus-induced-inflammation-new-anti-inflammatory-strategy/ [16.07.2020].
Raymond, M. / G. Ching-A-Sue / O. Van Hecke (2020): Mast cell stabilisers, leukotriene antagonists and antihistamines: A rapid review of the evidence for their use in COVID-19, in: CEBM, [online] https://www.cebm.net/covid-19/mast-cell-stabilisers-leukotriene-antagonists-and-antihistamines-a-rapid-review-of-effectiveness-in-covid-19/ [16.07.2020].
Conigliaro / Kevin Tracey / David Tuveson (2020): Famotidine use and quantitative symptom tracking for COVID-19 in non-hospitalised patients: a case series, in: Gut, doi: 10.1136/gutjnl-2020-321852.
Siebenand, S. (2020): Antihistaminikum auf Abwegen: Geheime Studie mit Famotidin als Covid-19-Mittel, in: Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH, [online] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/geheime-studie-mit-famotidin-als-covid-19-mittel/ [17.07.2020].
Merkur.de (2020): Corona-Symptome über Monate: Woran manche Patienten besonders leiden, in: https://www.merkur.de, [online] https://www.merkur.de/welt/coronavirus-symptome-krankheitsverlauf-covid-19-studie-tod-angst-13832257.html?fbclid=IwAR2Fo7NRcA1Be8r2t3w2uORppy1bmJtj7WnzMjOfSS2AfzZdYY6WKybZD_s [16.07.2020].
Report MÜNCHEN: Die Sendung vom 14. Juli 2020 (2020): in: ARD Mediathek, [online] https://www.ardmediathek.de/ard/video/report-muenchen/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9ydCBtw7xuY2hlbi81NjcxNTMyZS00YjEzLTQwMGUtOTRiNy1hMjI1M2VkM2VmNmY/ [16.07.2020]