MCAS Symptome:
Das Mastzellaktivierungssyndrom hat viele Gesichter
MCAS Symptome sind sehr vielschichtig, da Mastzellen in allen Organsystemen des menschlichen Körpers vorkommen. Manche Betroffene leiden „nur“ unter Symptomen, die ein Organsystem wie beispielsweise den Verdauungstrakt oder auch die Haut betreffen. Auf der anderen Seite sind viele Patienten durch die Erkrankung sehr stark in Ihrem Lebensalltag eingeschränkt. Bei ihnen zeigt sich die erhöhte Mastzellaktivität in einer Vielzahl unterschiedlichster Beschwerden, die den ganzen Organismus betreffen. Bei jenen Betroffenen liegt folglich eine chronische, multisystemische Erkrankung vor, die sich mit einem äußerst vielschichtigen klinischen Bild präsentiert. Letztlich ist es als Arzt, Betroffener und Angehöriger wichtig zu verstehen, dass es kein einheitliches Krankheitsbild gibt. Während einige Patienten in ihrem Alltag von MCAS Symptomen kaum eingeschränkt sind, können andere das Haus kaum noch verlassen. Die Einschränkungen reichen mitunter bis zur Arbeitsunfähigkeit, anerkannten Schwerbehinderungen und Bettlägerigkeit.
Dr. Lawrence B. Afrin (USA), einer der weltweit anerkanntesten Ärzte auf dem Gebiet “Mastzellerkrankungen”, sagte einmal: „It’s hard to imagine a disease more complex than mast cell activation disease.“, was ins Deutsche übersetzt so viel bedeutet wie: “Es ist schwierig, sich eine komplexere Krankheit als eine Mastzellerkrankung vorzustellen.”
Da die MCAS Symptomatik so vielschichtig und unspezifisch und die Krankheit unter der Ärzteschaft bisher kaum bekannt ist, haben viele Patienten bis zur Diagnose einen extrem langen Leidensweg und etliche Arztbesuche hinter sich. Das Mastzellaktivierungssyndrom kann praktisch, genau wie ein Chamäleon die Farbe seiner Umgebung imitieren kann, jede andere Art von Erkrankung imitieren. Für viele Patienten stellt es eine große Erleichterung dar, nach Jahren oder gar Jahrzehnten endlich eine Diagnose zu erhalten, die ihre vielfältigen Leiden erklärt.
Die Entstehung der MCAS Symptome
Nun stellt sich die Frage: Wie entstehen die Symptome beim Mastzellaktivierungssyndrom und wie kann eine einzelne Erkrankung derart vielschichtig sein? Ein Teil dieser Frage ist bereits seitens der Wissenschaft beantwortet: Mastzellen sind als Teil der Immunabwehr in allen Organsystemen des menschlichen Körpers vorzufinden und dafür zuständig, den Organismus vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Verantwortlich für die MCAS Symptome sind die Botenstoffe (Mediatoren), die in den Mastzellen enthalten sind. Davon gibt es, wie man heute weiß, über 200 Verschiedene und jeder einzelne Mediator kann unterschiedliche Symptome hervorrufen. Wenn die Mastzellen etwas als „Bedrohung“ für den Körper wahrnehmen, werden diese Botenstoffe in Sekundenschnelle ausgeschüttet. Diesen Vorgang nennt man Degranulation. Beim Mastzellaktivierungssyndrom sind die Mastzellen überaktiv und nehmen sehr viele Dinge als Bedrohung wahr, die eigentlich keine Gefahr für den Organismus darstellen. So können Patienten auf unterschiedlichste Reize mit einer Verstärkung ihrer Symptomatik reagieren. Diese verstärkenden Faktoren werden in der Literatur auch als sogenannte „Trigger“ bezeichnet. Auch hier: Die Liste möglicher Auslöser ist unendlich lang und sieht je nach Patient äußerst individuell aus. Hier einige Beispiele für mögliche Trigger-Reize:
Trigger der MCAS Symptome
- Nahrungsmittel jeglicher Art
- Medikamentenwirkstoffe jeglicher Art
- Zusatzstoffe, Emulgatoren und Farbstoffe in Nahrungsmitteln und Medikamenten
- Wetterwechsel
- Hormonelle Umstellungen (z.B. Pubertät, weiblicher Zyklus, etc.)
- Körperliche Anstrengung
- Geistige Anstrengung
- Stress (auch positiver Art!)
- Duftstoffe und Gerüche (natürlich und chemisch)
- Mechanische Reize
- Längere Autofahrten
- …und vieles mehr
Die Mehrzahl der Betroffenen reagiert auf viele verschiedene Trigger mit MCAS Symptomen, was zur Folge hat, dass das Alltagsleben für einige Patienten zur ständigen Gefahr wird. Wie einschränkend die Symptomatik ist, hängt auch von der Ausprägung der jeweiligen Reaktion ab.
Behandlung von MCAS Symptomen
Die Behandlung gestaltet sich oftmals sehr schwierig, da die Symptomvielfalt so enorm groß ist und die Auslöser bei jedem Patienten äußerst individuell sind. Zur Zeit steht keine kurative Therapieoption zur Verfügung. Die aktuell eingesetzten Medikamente zielen größtenteils darauf ab, die Wirkungen, die die von den Mastzellen in übermäßigem Maße ausgeschütteten Mediatoren verursachen, zu verringern. Patienten, die zur Anaphylaxie neigen, sollten, genauso wie Patienten mit systemischer Mastozytose und starke Allergiker, ein Notfallset bei sich tragen.
Die häufigsten MCAS Symptome
Im Folgenden nun eine Auflistung der am meisten vorkommenden Symptome des Mastzellaktivierungssyndroms.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn theoretisch kann eine Mastzellerkrankung so gut wie jedes Symptom hervorrufen.
Haut-Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
---|---|
Juckreiz | Histamin, VEGF, PGD2, PAF, LTC4, LTE4 |
Hautausschlag | Histamin, VEGF,PGD2, PAF, LTC4, LTE4 |
Plötzliches Erröten (Flushing) | Histamin, VEGF, PGD2, PAF, LTC4, LTE4 |
Schwellungen (Angioödem) | Histamin, LTC4, LTE4, PGD2, VEGF, PAF, TNF-α |
Sichtbar erweiterte Hautgefäße | |
Bindehautentzündungen/ -reizungen |
Verdauungstrakt-Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
---|---|
Durchfall | Histamin,LTC4, PAF, Zytokine |
Übelkeit (teils mit Erbrechen) | Histamin, LTC4, PAF |
Verstopfung | |
Sodbrennen/ Magenschleimhautentzündung | Histamin |
Brennende Bauchschmerzen/ Bauchkrämpfe / Darmentzündung | Histamin,LTC4, PAF, Chemokine |
Mangelhafte Aufnahme von Nährstoffen | |
Aphten der Mundschleimhaut | |
Analekzem/ Juckreiz im Analbereich | |
Vergrößerung/ Schwellung der Leber/ Milz | |
Erhöhte Cholesterinwerte (ernährungsunabhängig) | |
Multiple Unverträglichkeiten gegenüber Nahrungsmitteln/ chemischen Stoffen | |
Verklebungen von Baucheingeweiden und Bauchfell |
Atemwegs-Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
---|---|
Chronischer Husten/ Hustenreiz | Histamin, Leukotriene |
Niesen | Histamin, PGD2, PAF, LTC4, LTD4 |
Kehlkopfschwellung | |
Verstopfte/ laufende Nase | Histamin, PGD2, PAF, LTC4, LTD4 |
Atemnot/ Sauerstoffmangel /Kurzatmigkeit / Asthma | Histamin, PGD2, PAF, LTC4, LTD4, Zytokine |
Verengung der Bronchien | Histamin, LTC4, LTD4, PGD2, PAF |
Chronische Heiserkeit |
Herz-Kreislauf-Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
---|---|
Niedriger Blutdruck (Hypotonie) | Histamin, LTC4, LTE4, PGD2, VEGF, PAF, TNF-α |
Hoher Blutdruck (Hypertonie) | |
Schwindel/ Ohnmachtsanfälle | Histamin, LTC4, LTE4, PGD2, VEGF, PAF, TNF-α |
Benommenheit/ Schwäche | |
Herzrasen/ Herzrhythmusstörungen | Histamin, LTC4, LTE4, PGD2, VEGF, PAF, TNF-α |
Nervensystem-Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
---|---|
Migräne und/oder andere Kopfschmerzformen | Histamin |
„Gehirnnebel“ („Brain fog“) | |
Missempfindungen/ Brennende Schmerzen (Parästhesien) | |
Konzentrationsstörungen/ Wortfindungsstörungen | |
Depressive Störungen | Histamin, TNF, Zytokine |
Panikattacken | |
Schlafstörungen | |
Tinnitus |
Immunologische Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
---|---|
Anaphylaktoide und anaphylaktische Reaktionen | Histamin, Zytokine |
Grippeartige Symptome | |
Erhöhte Infektanfälligkeit | |
Schwellung der Lymphknoten | |
Fieber und Schüttelfrost | TNF-α, Histamin, Zytokine |
Zahnschmerzen |
Hormonellbedingte Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
---|---|
Menstruationsbeschwerden/ Zyklusstörungen jeglicher Art | |
Endometriose | |
Starke Regelblutungen | |
Generell hormonelle Störungen jeglicher Art |
Weitere wichtige Symptome
Symptom(e) | Involvierte Mediatoren |
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Häufige Blasenentzündungen (Interstitielle Zystitis) | |
Chronische Erschöpfung/ Fatigue / Kraftlosigkeit | Histamin, Zytokine |
Hitzewallungen | |
Chronische Entzündungen von Geweben | Zytokine, Proteasen |
Rheumaartige Gelenk-, Knochen- und Muskelschmerzen | |
Gewichtsverlust/ Gewichtszunahme | |
Störungen des Knochenstoffwechsels (Osteoporose) | |
Nachblutungen/ Blutergüsse nach Minimaltraumen | |
Thromboseneigung |
Quellenangaben
Quelle |
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1. Afrin LB, Ackerley MB, Bluestein LS et al. (2020). Diagnosis of mast cell activation syndrome: a global “consensus-2”. Diagnosis (Berl), 8(2), S. 137–152. doi: 10.1515/dx-2020-0005. Volltext frei verfügbar: https://www.degruyter.com/view/journals/dx/ahead-of-print/article-10.1515-dx -2020-0005/article-10.1515-dx-2020-0005.xml |
2. Gülen T, Akin C, Bonadonna P et al. (2021). Selecting the Right Criteria and Proper Classification to Diagnose Mast Cell Activation Syndromes: A Critical Review. J Allergy Clin Immunol Pract. 2021 Nov; 9 (11): 3918–3928. doi: 10.1016/j.jaip.2021.06.011. Volltext frei verfügbar: https://www.jaci-inpractice.org/article/S2213-219 8(21)00676-0/fulltext |
3. Molderings GJ, Homann J, Brettner S et al. (2014). Systemische Mastzellaktivierungserkrankung: Ein praxisorientierter Leitfaden zu Diagnostik und Therapie. Deutsche Medizinische Wochenschrift, 139(30), S. 1523–1538. doi: 10.1055/s-0034-1370055. Abstract hier verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24801454 |
4. Peter Valent, MD, Cem Akin, MD, PhD, Patrizia Bonadonna, MD et al. (2019): Proposed Diagnostic Algorithm for Patients with Suspected Mast Cell Activation Syndrome. J ALLERGY CLIN IMMUNOL PRACT VOLUME 7, NUMBER 4, S. 1125-1133 |
Legende zu den Mediatoren
LTC4: Leukotrien C4
LTE4: Leukotrien E4
LTD4: Leukotrien D4
PAF: Plättchen aktivierender Faktor
PGD2: Prostaglandin D2
TNF-α: Tumornekrosefaktor α
VEGF: Vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren