Mastzellen gelten als der, entwicklungsgeschichtlich gesehen, älteste Zelltyp des körpereigenen Abwehrsystems und existieren bereits seit mehreren 100 Millionen Jahren. Es ist daher wenig überraschend, dass sie sehr stark in die Prozesse des menschlichen Organismus eingebunden sind. Neben den bekannten Entzündungsbotenstoffen (fachsprachlich auch Mediatoren genannt) Histamin, Serotonin, Heparin, Leukotrienen, Prostaglandinen und Tryptase, sollen Mastzellen manchen Autoren zufolge bis zu 200 verschiedene Signalstoffe ausschütten können, um mit anderen Zelltypen zu kommunizieren.
Nur sehr wenige dieser Vielzahl an Mediatoren lässt sich heutzutage labortechnisch nachweisen. Klar ist: Die vielfältigen Funktionen der Mastzellen und ihre Interaktion mit dem menschlichen Organismus ist äußerst komplex und in der Welt der Wissenschaft bisher nur wenig verstanden.
Mastzellen sind Teil des Abwehrsystems und spielen aufgrund der durch sie ausgeschütteten Botenstoffe, allen voran Histamin, eine zentrale Rolle bei infektiösen Erkrankungen, Entzündungsgeschehen jeglicher Art und Allergien. Kurzum: Ohne Mastzellen wäre unsere Immunabwehr nicht funktionsfähig!
Da die Mastzellen, nicht zuletzt aufgrund der über 200 verschiedenen Entzündungsbotenstoffe, die in ihnen enthalten sind, einen äußerst großen Einfluss auf unterschiedlichste Abläufe im menschlichen Körper haben, ist es nicht verwunderlich, dass Mediziner mit Erkrankungen, bei denen dieser Zelltyp in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist und ständig zu Überreaktionen neigt, häufig überfordert sind. Die aus einer andauernden Überaktivität der Mastzellen entstehenden Krankheitsbilder präsentieren sich mit einer Vielfalt an Symptomen, die auf den ersten Blick medizinisch kaum erklärbar scheint. Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist es auch verständlich, dass der Weg zur Diagnose “Mastzellaktivierungssyndrom” häufig ein sehr Langer ist.
Er stellt heutzutage oftmals eine quälende, jahrelange Odyssee quer durch alle Fachbereiche der Medizin dar. Nicht selten führt die allseitige Ratlosigkeit der Ärzte dazu, dass fälschlicherweise eine psychische Erkrankung diagnostiziert wird. Das Problem: Da die eigentliche Ursache der umfangreichen Symptomatik körperlichen Ursprungs ist, wird trotz des Einsatzes unterschiedlichster Therapieansätze bei den Betroffenen meist keinerlei Besserung des Beschwerdebildes erzielt.
Der MCAS Hope e.V. möchte vom Mastzellaktivierungssyndrom Betroffene, deren Angehörige, enge Vertraute und Ärzte unterstützen und dazu beitragen, die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben, um zukünftig Fortschritte in der Bewältigung dieser Erkrankung erzielen zu können. Der Verein positioniert sich bewusst neutral im wissenschaftlichen Diskurs. Aktuell scheint dieser durch harte Fronten gekennzeichnet zu sein, ein Faktor, der sich letztendlich zulasten der Patienten auswirkt. Da die Erkrankung derzeit keinen ICD-10-Diagnoseschlüssel besitzt und somit nicht eindeutig von anderen Erkrankungen abgegrenzt werden kann, existieren beispielsweise unterschiedlichste Angaben über ihre Prävalenz. Manche Autoren vermuten, dass etwa 17% der Gesamtbevölkerung von einer Mastzellerkrankung betroffen sind. Andere Wissenschaftler hingegen sprechen von Prävalenzzahlen im unteren einstelligen Prozentbereich.
In diesem polarisierten Umfeld verweisen einige Ärzte und Wissenschaftler auf die systemische Mastozytose als die größtenteils diagnostisch wegweisende Mastzellerkrankung. Sind die für diese Krankheit notwendigen Kriterien nicht erfüllt, sollte man statt des Mastzellaktivierungssyndroms vordringlich andere Erkrankungen wie beispielsweise unentdeckte Allergien, neuroendokrine Tumore oder eine psychosomatische Diagnose in Erwägung ziehen. Es stellt zweifelsohne eine zwingende Notwendigkeit dar, oben genannte Erkrankungen auszuschließen, bevor die Diagnose “Mastzellaktivierungssyndrom” gestellt wird. Dennoch kann eine primäre Mastzellerkrankung generell auch dann bestehen, wenn die Diagnosekriterien für eine systemische Mastozytose nicht erfüllt sind. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Patienten leidet an Beschwerden, die mit einer systemischen Mastozytose vereinbar sind, erfüllen aber weder die für diese Erkrankung notwendigen diagnostischen Kriterien, noch können andere Ursachen, die für ihr umfangreiches Symptombild verantwortlich sein könnten, nachgewiesen werden.
Was solche Fälle häufig mit Patienten, die nachgewiesenermaßen an einer systemischen Mastozytose leiden, gemeinsam haben, ist, dass sich durch den Einsatz von Medikamenten, die die Überaktivität von Mastzellen und/oder die Wirkung der von den Mastzellen ausgeschütteten Entzündungsbotenstoffen verringern, eine Linderung der Beschwerden erzielen lässt. Ob das umfangreiche und von Patient zu Patient sehr individuell aussehende klinische Bild, das ein Mastzellaktivierungssyndrom hervorrufen kann, auf nur eine einzige Ursache zurückzuführen ist, ist derzeit noch unklar, ebenso wie die Frage, wie genau die Krankheitsmechanismen entstehen und ablaufen. Auch bei Krebserkrankungen hat sich beispielsweise erst mit zunehmendem Stand der Forschung herausgestellt, dass sie einen Komplex aus verschiedensten Ursachen und Mechanismen darstellen.
Unabhängig davon, wann eindeutige Erklärungen für das Krankheitsgeschehen des Mastzellaktivierungssyndroms identifiziert und benannt werden können, ist es bereits heute zwingend notwendig, den Betroffenen Hilfe und Unterstützung in jeglicher Form zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund ist eine Verbesserung der diagnostischen und therapeutischen Optionen für das Mastzellaktivierungssyndrom sowie die Anerkennung der Erkrankung seitens der Wissenschaft und der Medizin, nicht zuletzt durch eine eindeutige Klassifizierung im hierzulande gültigen ICD-10- und ICD-11-System, unabdingbar.