
Mastzellen-Trigger: TH-Immunbalance
04 Juni 2024Das Immunsystem spielt bei MCAS eine große Rolle. Es ist sehr komplex und bis heute noch nicht komplett entschlüsselt. Aber es wird stetig erforscht. Da die Mastzellen ein Teil des Immunsystems sind, ist es sinnvoll, sich einmal mit deren Zusammenspiel mit den anderen Teilen des Immunsystems zu beschäftigen. So gibt es im System der TH-Zellen (T-Helferzellen) einige Auffälligkeiten bei Menschen mit dem Mastzellaktivierungssyndrom. Diese konnte ich anhand eigener Laboruntersuchungen nachvollziehen und beschäftige mich nun damit, wie man diese Veränderungen positiv beeinflussen kann. Wie immer beruht dieser Beitrag auf meinen eigenen Erfahrungen und Recherchen und ersetzt keine medizinische Beratung und Behandlung, sondern dient als Ideenpool. Bitte stimmt euch immer mit eurem behandelnden Therapeuten ab.
Was ist die TH1-/TH2-Balance?
T-Helferzellen sind wichtige Zellen des Immunsystems: Sie erkennen Antigene (z.B. von Bakterien oder Viren) und leiten eine Immunantwort ein. Dabei schütten sie Zytokine (bestimmte Botenstoffe) aus, die andere Teile des Immunsystems aktivieren. Bei den T-Helferzellen gibt es verschiedene Untergruppen. Wir betrachten hier speziell TH1- und TH2- Zellen.
Aufgaben der TH1-Zellen:
Sie steuern durch ihre Botenstoffe die Kommunikation der verschiedenen Zellen des Immunsystems, regulieren entzündliche Prozesse und dienen der Abwehr von Erregern, vor allem von Viren und Bakterien.
Aufgaben der TH2-Zellen:
Die Subgruppe der TH2-Zellen hat eher eine antientzündliche Wirkung, ist an der Abwehr von Parasiten (insbesondere Würmern) und Bildung von IgE-Antikörpern beteiligt.
Th1- und TH2-Zellen sollten ausgeglichen sein, damit das Immunsystem richtig funktioniert.
Durch Immunstimulation oder Infektionen kann jedoch ein eine Verschiebung des Gleichgewichtes zugunsten einer Seite entstehen. Dann überwiegt entweder die TH1- oder die TH2-Seite.
Was hat eine Verschiebung der TH-Balance mit MCAS zu tun?
Ist das Gleichgewicht in Richtung TH1 verschoben (=TH1-Dominanz), können sich Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto, Morbus Crohn, Multiple Sklerose oder Typ-1-Diabetes manifestieren.
Eine TH2-Dominanz dagegen fördert z.B. Allergien, Asthma, führt zu Histaminintoleranz und schädigt die Darmbarriere. Zusätzlich stimuliert sie Mastzellen dauerhaft durch die Produktion des Botenstoffes IL4 und führt zu einer Mastzellaktivierung. Weiterhin werden die natürlichen Killerzellen vermindert, was zu mehr Infektanfälligkeit und Reaktivierung z.B. von Viren wie EBV im Körper führt.
In der Regel hemmen sich die Botenstoffe der TH1- und TH2-Zellen gegenseitig, damit es zu keinem Ungleichgewicht kommt. Es kann jedoch im Rahmen von Infektionen oder Immunstimulation passieren, dass dieses Gleichgewicht gestört wird und eine Dominanz einer Seite bewirkt. In diesem Fall kommt es zu den oben beschriebenen Konsequenzen.
Wie kann man herausfinden, ob eine Verschiebung der TH-Balance besteht?
Ich habe im IMD Labor Berlin eine Untersuchung zum TH-Immunstatus durchführen lassen.
Bereits 2020 war mein Spiegel von IL4, einem Botenstoff, der für eine TH2-Dominanz steht, massiv erhöht (dreifach über der Norm). In diesem Jahr habe ich eine noch detaillierte Untersuchung vornehmen lassen, bei der noch zusätzliche Botenstoffe untersucht wurden: Interferon Gamma, Interleukin 2 und Interleukin 10.
Interleukine sind Botenstoffe, die von TH-Zellen ausgeschüttet werden, und steuern insbesondere immunologische Vorgänge.
Hier eine kurze Erklärung zu den untersuchten Botenstoffen:
Interleukin 2 (IL2):
IL2 wird von TH1-Zellen gebildet.
Die Funktion von IL 2 besteht in der Stimulation von T-Helfer-Zellen. IL2 fördert das Wachstum, die Vermehrung und Differenzierung von T-Helferzellen, sowie B-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen (NK-Zellen). IL2 wird gehemmt durch regulatorische T-Zellen (Tregs).
Interleukin 4 (IL4):
Wird von TH2-Zellen und Mastzellen gebildet, stimuliert diese wiederum und regt sie zur Vermehrung und Differenzierung an. Es sorgt zudem dafür, dass aus IgM- und IgG-Antikörpern IgE-Antikörper werden. Beim Mastzellaktivierungssyndrom wird oft ein erhöhter Spiegel von IL4 gemessen.
Interferon gamma:
Ist ein Botenstoff, der von TH1-Zellen gebildet wird und sich durch seine antivirale und antitumorale Wirkung auszeichnet. Auch NK-Zellen bilden beim Erkennen fremder Strukturen Interferon Gamma. Dieser Stoff ist also sehr wichtig für die Infektabwehr.
Interleukin 10 (IL10):
IL 10 wird von Mastzellen und weitere Zellen des Immunsystems gebildet. Es wirkt im Körper antientzündlich und schützt den Körper vor einer überschießenden Immunantwort. Dabei kann IL10 jedoch eine Immunschwäche auslösen. Es hemmt IL2 und Interferon Gamma. Zusätzlich wirkt es hemmend auf die Cyclooxygenase-2 (COX2) und somit die Umwandlung von Arachidonsäure zu Prostaglandin H2. Dies ist interessant, denn ist auf diese Weise der Cox-Abbauweg gehemmt, werden aus der Arachidonsäure vermehrt Leukotriene gebildet. Und Leukotriene sind bekannterweise Botenstoffe der Mastzellen und bei MCAS erhöht. IL10 spielt also eine sehr wichtige Rolle bei der Mastzellaktivierung.
Natürliche Killerzellen (NK-Zellen):
Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) werden im Knochenmark gebildet und zirkulieren im Blut.
Dort können sie infizierte und entartete Zellen erkennen und abtöten. NK-Zellen sind somit wichtig für die Infektabwehr und Tumorbeseitigung.
Durch die Wirkung von Zytokinen können NK-Zellen aktiviert werden oder selbst andere Immunzellen aktivieren.
Interpretation meiner Laborwerte
Ich weiß, das ist alles komplexe Biochemie, aber am Ball zu bleiben lohnt sich, da sich immer neue Zusammenhänge erschließen und ich hoffe, so die richtigen Stellschrauben zu finden, um mein MCAS verbessern zu können. Ein Blick auf meine aktuellen Laborwerte förderte Folgendes zutage:
Erhöht sind IL 4 und IL 10.
Erniedrigt sind dafür Interferon Gamma, IL 2 und NK-Zellen.
Das erhöhte IL4 führt zur Mastzellaktivierung. Das erhöhte IL10 sorgt für vermehrte Mastzellaktivierung und Leukotrienbildung, die ebenfalls typisch für MCAS ist.
Dafür ist meine Abwehr in Form von IL2, Interferon Gamma und NK-Zellen geschwächt.
Dies erklärt auch, warum ich ständig unter Infekten leide.
Mein Ziel besteht also in einer Senkung von IL4 und IL10 und einer Steigerung von Interferon Gamma, IL2 sowie den NK-Zellen.
Was kann man bei einer Verschiebung des TH-Gleichgewichts tun?
1.Stärkung der TH1-Seite
Es gibt einige bekannte Stoffe, die sich verstärkend auf die TH1- bzw. TH2-Seite auswirken können. Für uns Betroffene mit dem Mastzellaktivierungssyndrom und einer TH2-Dominanz ist es sinnvoll, die TH1-Seite zu stärken und die TH2-Seite zu schwächen.
Dementsprechend versuche ich, TH2-stärkende Stoffe zu meiden und TH1-stärkende-Stoffe zu konsumieren. Aber Achtung: eine Immunmodulation kann die Mastzellen ärgern und sollte immer mit der Begleitung eines erfahrenen Mediziners erfolgen. Wichtig ist auch, den Status der Immunbalance regelmäßig im Blut zu überprüfen, um nicht zu stark auf die Gegenseite zu geraten. Aktuell suche ich noch einen Mediziner, der mich auf diesem Weg begleiten kann.
Was ich dank eigener Recherchen schon lernen durfte:
Stoffe, die die TH1-Seite fördern (möglichst konsumieren):
Vitamin B6
Vitamin E
Zink
Selen
Stoffe, die die TH2-Seite fördern (möglichst meiden):
Vitamin D
Vitamin A
Curcuma
Boswelia
Ja richtig gelesen: Achtung bei der Einnahme von z.B. Vitamin D:
Dieses wird gerade im Internet oft als DAS Mittel gegen Autoimmunerkrankungen beworben. Man kann es damit aber auch Schaden anrichten und das Immunsystem aus dem Takt bringen, indem man Interferon Gamma unterdrückt.
2. Stärkung der natürlichen Killerzellen
Es gibt Studien an Menschen und Zellen, die darauf hinweisen, dass sich durch bestimmte Stoffe und Aktivitäten Killerzellen steigern lassen. Das muss jedoch nicht heißen, dass es bei jedem Menschen funktioniert.
NK-Zellen sollen gefördert werden durch:
Sport und Bewegung
Waldbaden / lange Waldspaziergänge
Zink
Selen
Knoblauch
Blaubeeren
Champignons
Da meine Laborwerte für Zink und Selen zu niedrig sind, fülle ich beides auf und versuche mich, so gut es geht, zu bewegen. Ich habe mir vorgenommen, so oft es geht, einen Waldspaziergang zu machen. Auch Blaubeeren und Champignons esse ich gerne und jetzt besonders viel.
Mit Knoblauch habe ich eher negative Erfahrungen mit resultierendem Juckreiz gemacht, was ich auf den Schwefelgehalt zurückführe. Diesen konsumiere ich folglich nicht.
3. Hemmung der natürlichen Killerzellen vermeiden
Studien haben gezeigt, dass Stress einen sehr großen Einfluss auf die Anzahl der NK-Zellen hat.
Ebenso sinken die Killerzellen nach exzessivem Sport.
Bedingt durch meine aktuellen Lebenssituation (Trennung) bin ich immer noch mehr oder weniger großem Stress ausgesetzt. Dieser lässt sich zurzeit leider nicht vermeiden, ich versuche aber einen entspannteren Umgang damit zu finden.
Exzessiven Sport kann ich aufgrund meines MCAS sowieso nicht mehr betreiben.
4. Hemmung von IL4
Es gibt beim IMD-Labor auch einen sogenannten IL4-Hemmtest, bei dem im Blut anhand entsprechender Testsubstanzen gemessen werden kann, ob diese IL4 zuverlässig hemmen. Das sollte man überprüfen, denn nicht jeder Körper reagiert gleich. Auch ein Versuch der IL4-Hemmung kann sinnvoll sein. Diesen Test habe ich jedoch noch nicht durchgeführt, da ich noch keinen niedergelassenen Arzt gefunden habe, der sich damit befasst.
5. Hemmung von IL10
Meine Recherchen zu Möglichkeiten der Hemmung von IL10 ergaben mehrere Ansätze:
5.1 Probiotika – Achtung beim Einsatz!
Einerseits gibt es bestimmte probiotische Bakterien, die sich hemmend auf IL10 auswirken können. Da diese aber auch immer einen Einfluss auf die anderen Zytokine haben, ist hier mit äußerster Vorsicht vorzugehen, um nicht eine Verschlimmerung des Zustands herbeizuführen!
Das habe ich im Selbstversuch erlebt:
Mangels entsprechender Kenntnisse und mit der Hoffnung, meiner Darmflora etwas Gutes zu tun, hatte ich einen probiotischen Trinkjoghurt zu mir genommen und mit heftigen Bauch- und Blasenschmerzen darauf reagiert.
Dieses Ereignis ermutigte mich zu weiteren Recherchen und ich fand eine Studie zur Wirkung von probiotischen Bakterien auf die Zytokine und die TH-Balance.
Dabei fand ich heraus, dass der eingenommene Bakterienstamm zu einer Steigerung von IL10 führt, was meinen Zustand natürlich verschlechterte.
Es scheint mir daher auch sehr plausibel, dass Menschen mit MCAS verschiedene Milchprodukte wie Joghurt und Käse nicht gut vertragen. Denn darin sind probiotische Stämme wie Lactobacillus casei enthalten, die einerseits Histamin bilden und andererseits IL10 steigern können. Also seid vorsichtig mit diesen Produkten und informiert euch gründlich, bevor ihr probiotische/ fermentierte Produkte zu euch nehmt. Nach meinen Erkenntnissen finde ich es sehr bedenklich, Probiotika für alle auf den Markt zu bringen, die jeder kaufen kann, ohne den Ausgangszustand des jeweiligen Immunsystems zu kennen.
Eine weitere Herausforderung, wenn man eine probiotische Therapie mit passenden Bakterienstämmen durchführen möchte: Die in Studien genannten Stämme sind am Markt nicht einfach erhältlich. Hier könnten Hersteller glänzen, indem sie Informationen zu den genauen Bakterienstämmen angeben (nicht nur Lactobacillus fermentum, sondern den Stamm Lactobacillus fermentum Lb20) und Auswirkungen ihrer Produkte auf die Zytokine des menschlichen Immunsystems angeben.
Ein Hersteller von Babynahrung hat auf seiner Webseite einen ersten Anfang gemacht. Hier ist noch sehr viel Umdenken in der Industrie erforderlich.
5.2 Mikroimmuntherapie
Eine weitere Möglichkeit zu Immunmodulation bietet die Mikroimmuntherapie. Hierbei soll das Immunsystem mit Hilfe von Zytokinen in niedriger Verdünnung wieder zu seiner Normalfunktion zurückgebracht werden. Auch diese Therapie könnte sich positiv wie negativ auswirken. Zurzeit teste ich sie und werde im Blog über meine Erfahrungen berichten.
5.3 Pflanzliche Immunmodulatoren
Und nicht zuletzt gibt es auch Heilpflanzen, die Effekte auf die Zytokine haben. Bis zum Redaktionsschluss habe ich jedoch noch keine Pflanze gefunden, die genau zu meiner Konstellation passen könnte.
Zusammenhang mit Candida
In meinem letzten Blogartikel habe ich mich mit Candida als Mastzellen-Trigger beschäftigt. Zwischen den hier beschriebenen Veränderungen im Immunsystem und Candida bestehen ebenfalls Zusammenhänge:
- IL4 unterdrückt die Aktivität von Phagozyten gegen Candida albicans.
Das heißt, gesteigertes IL4 kann dazu beitragen, dass Candida sich weiter im Körper ausbreitet. - Es gibt eine Studie, die besagt, dass gesteigertes IL10 und vermindertes Interferon Gamma bei diabetischen Patienten orale Candida-Besiedlung fördert. Also erlaubt eine derartige Verschiebung Candida ebenfalls, sich im Körper auszubreiten. Besonders, wenn dazu noch ein defekter Zucker-Stoffwechsel besteht.
Hier schließt sich also der Kreis und es ist weiterhin anzuraten, den Konsum von Zucker und Kohlehydraten zu beschränken, um Candida wenigstens nicht noch zusätzlich Nahrung zu bieten.
Ihr habt Fragen oder Anregungen zu diesem Beitrag? Schreibt mir gerne: Pia.Bock@mcas-hope.de
Quellen:
- https://flexikon.doccheck.com/de/T-Helfer-Zelle
- https://flexikon.doccheck.com/de/TH1-Zelle#:~:text=Die%20TH1%2DZellen,interagieren%20v.a.%20mit%20antigenpr%C3%A4sentierenden%20Makrophagen.
- https://flexikon.doccheck.com/de/Zytokin
- https://flexikon.doccheck.com/de/Interleukin-4
- https://flexikon.doccheck.com/de/Interleukin-2
- https://flexikon.doccheck.com/de/Leukotrien
- https://flexikon.doccheck.com/de/Interferon-%CE%B3
- https://www.studysmarter.de/schule/biologie/immunologie/natuerliche-killerzellen/#:~:text=Zytokin%2Dvermittelte%20Aktivierung%20von%20nat%C3%BCrlichen,Bewegung%20und%20Entwicklung%20genutzt%20werden.
- https://www.fernarzt.com/wissen/laborwerte/natuerliche-killerzellen/
- https://www.fernarzt.com/wissen/laborwerte/natuerliche-killerzellen/
- https://www.nerven-power.de/kick-fuer-die-killerzellen-booster-aus-kueche-und-wald-gegen-corona-grippe-und-krebs/
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-112014/hoch-effektiv-gegen-entzuendungen/
- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0928824497000837
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9703743/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15940144/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5601789/
- https://www.inflammatio.de/fileadmin/user_upload/inflammatio/OF-Vortr%C3%A4ge/2016/2016_06_29_Immunmodulation_bei_TH1_Th2_Dysbalance.pdf
- Immunbalance TH1- / Th2-Shift erkennen und behandeln, Katharina Otto, Vitalstoffratgeber NATURE MEETS SCIENCE, Dr. Schweikart Verlag GmbH, Berlin 2021.