Shutdown! – Der ultimative Survivalguide bei sozialer Isolation

23 Mrz 2020

Jetzt ist es also doch passiert – Der Shutdown ist da! Lange haben die Politiker versucht, diesen Schritt zu vermeiden, aber leider scheint es Teilen unserer Gesellschaft erheblich an gesundem Menschenverstand und Verantwortungsgefühl zu fehlen. Gegen Einsichtslosigkeit ist leider nur ein Kraut gewachsen und das heißt Zwang! Selbst das nun verhängte „Kontaktverbot“ wird vermutlich nicht alle davon abhalten, sich weiterhin in kleinen Gruppen zu treffen, aber es wird die Möglichkeiten, sich idiotisch zu verhalten, zumindest drastisch minimieren und das ist gut so.

Nun wird die Bevölkerung also dazu gezwungen, etwas zu tun, das sie nicht gewöhnt ist: Zu verzichten und zwar auf sehr vieles. Wie in meinem letzten Blogpost bereits erwähnt, gibt es Menschen, die ständig Verzicht in teils unvorstellbarem Ausmaß üben müssen. Zu diesen Personengruppen gehören beispielsweise auch chronisch Erkrankte. Unser Verein macht sich für Patienten stark, die an einem Mastzellaktivierungssyndrom, kurz MCAS, leiden. Nicht wenige MCAS-Betroffene müssen einen Großteil Ihres Lebens in den eigenen vier Wänden verbringen, können nur noch eine Handvoll Nahrungsmittel zu sich nehmen, haben unzählige Allergien und so weiter und so fort. Wenig verwunderlich, dass eine häufige Begleiterscheinung der Erkrankung daher soziale Isolation ist und zwar nicht nur für einige Wochen, sondern dauerhaft.

Sozial isoliert zu sein, ist ein Sachverhalt, der extrem belastend sein kann. Der Grund hierfür ist einfach: Wir alle sind soziale Wesen und daher auf den Kontakt mit anderen Menschen angewiesen. Was aber tun, wenn es unvermeidbar ist, sich sozial zu isolieren? Nun, in diesem Fall muss man sich Wege und Strategien überlegen, die einem dabei helfen, mit einer solchen Situation bestmöglich zurechtzukommen. Genau hierbei möchte ich euch in diesem Post helfen. Ich war sieben Jahre lang bettlägerig und konnte einen Großteil dieser Zeit kaum Besuch empfangen, weil es mir dafür zu schlecht ging. Ich werde euch im Folgenden einen kleinen Einblick darin geben, wie ich diese Zeit mit mir selbst (und natürlich meinem engsten Familienkreis) bewältigt habe und was ihr tun könnt, um euch die nächsten Wochen und Monate etwas angenehmer zu gestalten. Hier sind meine 11 Survivaltipps für ein Leben in sozialer Isolation.

  1. Lesen (oder Hörbücher hören): Lesen ist eine Allzweckwaffe gegen trübe Gedanken und Langeweile. Ganz nebenbei bildet es auch noch enorm und zwar unabhängig davon, ob du lieber einen Roman oder ein Sachbuch liest. Ich selbst gehöre eher zur Sachbuch-Fraktion und lese fast ausschließlich, um etwas Neues zu lernen und/oder mich weiterzubilden. Während meiner Zeit im Bett habe ich einige Bücher „verschlungen“, die mir dabei geholfen haben, mich weiterzuentwickeln. Ein paar dieser Bücher haben einen großen Teil dazu beigetragen, dass es mir heute wieder besser geht. An dieser Stelle noch ein kleiner Tipp: Unglaublich viel und schnell zu lesen, ist nicht zwangsläufig effektiver, als sich lange und tief mit einem einzigen Buch zu beschäftigen. Wenn du das Maximale aus einem Sachbuch herausholen möchtest, solltest du dich intensiv mit ihm auseinandersetzen, statt es nur einmal schnell zu überfliegen.
  2. Persönlichkeitsentwicklung betreiben: Das ist wohl eine der vernünftigsten Möglichkeiten, seine überschüssige Zeit zu nutzen. Warum? Weil deine Persönlichkeit maßgeblich mit dafür verantwortlich ist, ob du erfolgreich bist oder nicht. Die Welt ist immer nur das, wofür wir sie halten! Das heißt auch: Eigentlich sind alle Dinge, die dir im Leben passieren, zunächst einmal weder gut noch schlecht. Sobald du etwas als „schlecht“ bezeichnest, ist das lediglich deine ganz persönliche Interpretation der Gegebenheiten. Ein Gewinner versucht stets, die Dinge, die ihm widerfahren, aus einer Perspektive heraus zu betrachten, die ihm dabei hilft, sich weiterzuentwickeln und seine Ziele zu erreichen. Hier ein kleines Beispiel: In der Welt der Psychologie gibt es das Phänomen des sogenannten „Krankheitsgewinns“. Hiermit ist Folgendes gemeint: Unter einer bestimmten Krankheit zu leiden, hat nicht immer nur Nachteile. Oftmals ergeben sich aus einer Erkrankung auch Vorteile. Das hört sich im ersten Moment vielleicht ein bisschen verstörend an, aber es stimmt! Die Zeit, in der ich bettlägerig war, war sicherlich auf den ersten Blick keine schöne Zeit. Ich konnte nicht mehr am normalen Leben teilnehmen und hatte daher sehr viele Nachteile. Auf der anderen Seite hat mir meine Situation aber auch einige Vorteile gebracht. Beispielsweise hatte ich viel Zeit dafür, an mir selbst zu arbeiten und mir einige Dinge beizubringen, die ich schon immer einmal lernen wollte, bislang aber einfach keine Gelegenheit dazu da war. Glaube mir: Erfolg hängt maßgeblich von deiner Denkweise und deiner Persönlichkeit ab. Arbeite also daran, dich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Jetzt ist die beste Zeit, damit zu beginnen!
  3. Musik hören: Musik ist ein Medium, das Unglaubliches bewirken kann. Mit Musik kannst du jeden Gefühlszustand, den du gerne haben würdest, unmittelbar abrufen. Wenn du dich beispielsweise einmal deprimiert und allein fühlen solltest, kann Musik dir dabei helfen, deine Stimmung sofort wieder zum Positiven hin zu lenken. Wie das geht? Ganz einfach: Höre ein Lied, das mit positiven Erinnerungen verbunden ist und/oder ein gutes Gefühl in dir auslöst.
  4. Meditieren: Das größte Problem, das viele Menschen mit Isolation haben (und sei es nur für einige Stunden), ist, dass sie dazu gezwungen sind, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Klar: Es gibt heute sehr viele Möglichkeiten, zu vermeiden, einmal in sich zu gehen – Das Internet, Filme, Musik und soziale Netzwerke sind nur einige Beispiele. Unsere Gesellschaft hat größtenteils verlernt, wie es sich anfühlt, vollkommen in Ruhe zu sein und das, obwohl ständige Unruhe und Stress sich nachgewiesenermaßen äußerst negativ auf unsere Gesundheit auswirken und zwar sowohl auf die geistige als auch auf die körperliche Gesundheit. Meditation ist ein wunderbares Werkzeug, um zu sich selbst zurückzufinden und zur Ruhe zu kommen. Auch die gesundheitsfördernde Kraft der Meditation ist mittlerweile sehr gut wissenschaftlich belegt. So konnte beispielsweise bei HIV-Patienten, die Meditation praktizierten, ein Anstieg der T4-Helferzellen nachgewiesen werden. Dieser Zelltyp spielt in der Immunabwehr eine äußerst entscheidende Rolle. Der bei Aids-Patienten vorliegende Immundefekt wird hauptsächlich durch ein massenhaftes Absterben der T4-Zellen ausgelöst. Alles in allem hat regelmäßiges Meditieren auf unterschiedlichsten Ebenen positive Auswirkungen auf deine geistige und körperliche Gesundheit. Falls du noch nie meditiert haben solltest, ist jetzt die richtige Zeit, damit anzufangen.
  5. Visualisieren: Visualisieren ist ein sehr machtvolles Werkzeug aus der Psychologie, dass dir dabei helfen kann, dich weiterzuentwickeln und deine Emotionen in die richtige Richtung zu lenken. Etwas zu visualisieren, bedeutet nichts anderes, als sich etwas so genau wie möglich, mit all seinen Sinnen, vorzustellen. Hier ein kleines Anwendungsbeispiel: Wenn du dich einsam fühlst und danach sehnst, noch einmal mit deinen Freunden zusammen feiern zu gehen, versuche doch einfach einmal Folgendes: Höre dir eine Playlist mit Songs an, zu denen du früher gerne getanzt und gefeiert hast, schließe deine Augen und stelle dir vor, wie du zusammen mit deinen Liebsten die größte Party deines Lebens erlebst. Sieh die Bilder genau vor deinen Augen und konzentriere dich auf die positiven Emotionen. Ich weiß nicht, wie viele tausende Male ich diese kleine Gedankenreise in den Jahren, in denen ich ans Bett gebunden war, gemacht habe. Der Clou an der Sache ist: Das menschliche Gehirn kann nur schwer zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden. Wenn du dir etwas intensiv vor deinem inneren Auge vorstellst, fühlt es sich fast genauso an, als würdest du die entsprechende Situation tatsächlich erleben. Hinzu kommt: Wenn du dir eine Sache nur oft genug vorstellst, wird dein Unterbewusstsein ganz automatisch darauf hinarbeiten, dass deine Vorstellungen irgendwann zur Realität werden! Aus diesem Grund ist Visualisieren ganz besonders für chronisch Erkrankte ein sehr hilfreiches Instrument. Verliere deine Hoffnung nicht und habe deine Genesung stets vor Augen. Irgendwann werden deine Visionen Wirklichkeit! Vertrau mir!
  6. Schreiben: Dieser Tipp ist vielleicht nicht für ausnahmslos jeden geeignet, aber ich möchte hier trotzdem kurz darauf eingehen, wie sehr das Schreiben mir dabei geholfen hat, eine sehr schwere Zeit zu überwinden. Ich liebe Sprache, sei es nun in Form von Büchern, Zeitungsartikeln oder auch Songtexten. Ich glaube, dass die Worte, die wir verwenden, einen maßgeblichen Einfluss darauf haben, wie wir auf andere Menschen wirken. Mit den richtigen Worten können wir Emotionen in unserem Gegenüber auslösen und Kräfte wecken, die vielleicht eine lange Zeit nur im Verborgenen geschlummert haben. Mein Ziel beim Schreiben ist es, die Erfahrungen, die ich in meinen letzten Lebensjahren gemacht habe, dazu zu nutzen, anderen Menschen Glaube und Hoffnung zu schenken und Ihnen dabei zu helfen, Ihre eigenen Kräfte zu mobilisieren. Mir persönlich gibt das Schreiben selbst und das Ziel, das ich damit verfolge, unglaublich viel Kraft. Vielleicht ist es bei dir ja genauso. Probiere es doch einfach einmal aus.
  7. Neue Projekte angehen: Gibt es irgendein Projekt, dass du schon lange angehen wolltest, bislang aber nie die Zeit dafür gefunden hast? Gibt es vielleicht etwas, was du schon immer einmal lernen wolltest, aber in den letzten Monaten/Jahren einfach nie dazu gekommen bist? Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um solche Dinge anzugehen! Wenn es nicht die Zeit gegeben hätte, in der es mir gesundheitlich sehr schlecht ging, würdest diesen Blogeintrag hier jetzt nicht lesen können. Warum? Erstens besaß ich vor meiner Bettlägerigkeit gar nicht die notwendige Kreativität, um einen solchen Text zu verfassen. Zweitens hätte ich ohne meine Erkrankung höchstwahrscheinlich gar keinen Ansporn dazu, Menschen, die ähnliches durchmachen bzw. durchgemacht haben wie ich, zu unterstützen. Drittens habe ich das Schreiben erst für mich entdeckt, als ich jeden Tag mit mir allein zu Hause im Bett verbringen musste. Zu Schulzeiten, das gebe ich ehrlich zu, gehörte Deutsch nicht zu meinen Lieblingsfächern. Texte zu schreiben war etwas, das mir absolut keinen Spaß bereitet hat. Was du daraus lernen kannst? Sei immer offen für Neues und nutze die Zeit, die du jetzt hast, um dich und deine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und neue Projekte anzugehen.
  8. Soziale Netzwerke nutzen: Eines steht fest – Ganz ohne soziale Kontakte kann kein Mensch überleben. Was also tun, wenn man dazu verdammt ist, allein daheim zu sitzen und gemeinsame Treffen mit Freunden und wilde Partynächte am Wochenende in absehbarer Zeit erst einmal nicht mehr möglich sind? Die Antwort liegt auf der Hand: Soziale Netzwerke! Facebook, Instagram und Co. geben uns heute die Möglichkeit, immer und überall mit unseren Liebsten in Kontakt zu treten. Klar: Selbst ein Videochat kann kein persönliches Gespräch unter vier Augen ersetzen, aber immerhin müssen wir dank der sozialen Netzwerke nicht ganz auf den Austausch mit unseren Mitmenschen verzichten. Für MCAS-Betroffene habe ich noch einen ganz besonderen Tipp: Wenn ihr euch mit eurer Erkrankung alleingelassen und von eurem Umfeld nicht ernstgenommen fühlt, tretet doch einer der Facebook-Gruppen zum Thema „Mastzellerkrankungen“ bei, beispielsweise der Gruppe „Mastzellerkrankungen mit Herz“. Hier könnt ihr eure Sorgen mit Gleichgesinnten teilen und euch untereinander austauschen.
  9. TV schauen oder streamen: Ich glaube, zu diesem Punkt muss ich nicht allzu viel sagen. Die Auswahl an verfügbaren Filmen und Serien auf den Streaming-Plattformen ist unendlich groß. Mein Tipp: Schaut euch neben informativen Sendungen vor allem Dinge an, die euch inspirieren und/oder euch ein gutes Gefühl geben. Ich beispielsweise liebe Fußball und Sitcoms. Mit Horrorfilmen und ähnlichem kann ich hingegen überhaupt nichts anfangen. An alle Fußballfans, die das hier gerade lesen: Hoffen wir, dass es bald zumindest Geisterspiele im TV zu sehen geben wird. Ein Spiel ohne Zuschauer ist (vor allem in diesen Zeiten) immer noch besser, als ganz auf Fußball verzichten zu müssen.
  10. Videospiele spielen: Eine ebenfalls immer gern genutzte Beschäftigung, um sich seine freie Zeit zu vertreiben, sind Videospiele. Für „Gamefreaks“ ist jetzt eine sehr gute Zeit, um alte Spieleklassiker aus der Kindheit noch einmal neu aufleben zu lassen. Der Vorteil von modernen Spielkonsolen: Man kann über das Internet zusammenspielen. Auch wenn es natürlich zweifelsohne mehr Spaß macht, nebeneinander mit den Gamecontrollern auf der Couch zu sitzen, stellt die Möglichkeit, online gegeneinander anzutreten, vor allen Dingen in Zeiten wie diesen, eine gute Alternative dar.
  11. Sport treiben: Wir alle wissen – Bewegungsmangel ist ungesund! Dennoch verbringt ein erheblicher Anteil unserer Bevölkerung den größten Teil des Tages vor dem Schreibtisch. Die Tatsache, dass man jetzt nur noch in Ausnahmefällen das Haus verlassen darf, sorgt dafür, dass wir uns vermutlich noch weniger bewegen werden, dabei ist es dank des Internets heutzutage einfacher als jemals zuvor, sich auch von zu Hause aus fit zu halten. Auf Videoportalen wie „YouTube“ finden sich beispielsweise unzählige Trainingsanleitungen für ein kleines Workout in den eigenen vier Wänden. Sie brauchen hierfür nicht einmal zwingend teure Fitnessgerätschaften. Mir ist bewusst, dass körperliche Anstrengung und Sport die Symptomatik bei vielen Mastzellpatienten verschlimmert. Das ist bei mir genauso. Dennoch dürfen wir eines nicht vergessen: Wenn wir uns gar nicht bewegen, ist das auch schlecht für den Organismus. Fazit: Ein bisschen Bewegung muss sein. Hier gilt es für jeden Einzelnen, ein individuelles Maß zu finden, das ihm/ihr persönlich guttut.

Ich hoffe, der ein oder andere auf den letzten Seiten genannte Tipp hilft euch dabei, die nächsten Wochen mit euch allein etwas angenehmer zu gestalten. Denkt immer daran: Wenn wir jetzt zu Hause bleiben, tun wir etwas Gutes für uns selbst, aber vor allen Dingen auch für unsere Mitmenschen und unsere gesamte Gesellschaft. Es mag schwerfallen, jetzt den Frühling in seinen eigenen vier Wänden verbringen zu müssen, aber es geht momentan leider nicht anders. Vergesst nicht, dass es Menschen gibt, die die soziale Isolation, in der wir alle uns gerade bewegen müssen, tagtäglich erleben. Viele chronisch Erkrankte, wie beispielsweise Mastzellpatienten, müssen einen Großteil ihres Lebens allein daheim verbringen. Wenn wir es schaffen, uns in den nächsten Wochen zusammenzureißen, schützen wir solche Personengruppen. Wenn wir jetzt zu Hause bleiben, helfen wir am Meisten. Das sollten wir niemals vergessen!

Also: Bleibt zu Hause und vor allem: Bleibt oder werdet gesund!

Herzlichst

Euer Jean-Pierre Klöcker