Sabines Gedanken zu einem Leben mit MCAS

26 Jan 2022

Auf unsere „ehrenamtliche Stellenanzeige“ sind bereits erste Nachrichten eingetroffen – vielen, vielen Dank dafür! Wir freuen uns über jede Kontaktaufnahme riesig!

Unser Mitglied Sabine hat daraufhin einen sehr berührenden Text verfasst, gefüllt von Gedanken und Gefühlen aus ihrem Leben mit MCAS, die sicherlich viele von uns kennen, lest hier weiter und fühlt Euch weniger allein…

Die Sache mit dem Selbstbewusstsein…

Diesen Monat werde ich 51 Jahre. Mannomann!

Wenn ich die Zahl so vor mir sehe, beeindruckt mich das schon.

Es gibt immer wieder Momente, da schaue ich zurück.

Zurück auf meine letzten Jahre mit MCAS.

Eine Ärztin meinte einmal zu mir, dass ich das wohl seit meiner Geburt schon haben müsste – dem kann ich nur zustimmen.

Aber so richtig bemerkbar machte MCAS sich dann vor einigen Jahren.

Was ist seit dieser Zeit passiert?

Und was in aller Welt ist aus mir geworden?

Als ich mich vor ein paar Tagen beim MCAS Hope e.V. bewarb, um dort ehrenamtlich im Team mitzuwirken, wußte ich noch nicht, dass mich das mehr mitnehmen würde, als ich gedacht hatte.

Ich gab meine Stärken an: Kreativität, und ich schreibe gerne.

Naja, ehrlich gesagt habe ich bestimmt schon seit drei Jahren nicht mehr geschrieben… und Gemüse klein schnippeln und einfrieren, Wäsche waschen und zusammenlegen… kann man nicht unbedingt als kreativ bezeichnen.

Aber es stimmt! Ich bin ein kreativer Mensch, und ich schreibe gerne!

Nur habe ich das durch MCAS immer wieder verloren. Besonders in den letzten Jahren.

Zu müde, zu kaputt, zu viel um die Ohren… zu… zu… zu…

Früher war ich AUCH müde und schnell ausgelaugt, und dennoch habe ich geschrieben.

Mit Vorliebe Märchen und Gedichte.

Was ist passiert?

Als ich mich vor ein paar Tagen beim MCAS Hope e.V. bewarb, wurde ich gefragt, wo ich mich denn sehen würde.

Es gäbe z.B. Newsletter zu schreiben, Beiträge für den Blog… Social Media Content… Mitglieder informieren und unterstützen… MCAS der Öffentlichkeit näher bringen… Ärzte, Politiker… Du hast viel Freiraum…

Und je mehr ich las, desto eingeschüchterter wurde ich!

ICH würde eventuell mit Ärzten oder Politikern sprechen?!

Bisher hatte mich, ausser in EINER Klinik, keiner wirklich ernstgenommen mit meinen Symptomen…

‚MCAS? Was ist das??

Kenne ich nicht!‘

Und wahrscheinlich insgeheim gedacht ‚Gibts auch gar nicht!‘

Damit war das Thema für die erledigt.

An dieser Stelle möchte man mich bitte nicht falsch verstehen: Keiner, aber auch gar keiner hatte von mir ERWARTET, dass ich mit Ärzten und Politikern rede, sie aufmerksam mache und informiere.

Man wollte mir nur dankenswerterweise signalisieren, dass Vieles möglich ist, dass man offen ist für neue Helfer. Und vor allem, dass man mir, ohne mich zu kennen, etwas ZUTRAUT!

Ich habe MCAS…

Aber ich BIN nicht MCAS!!

Manchmal, glaube ich, vergesse ich das.

Dann nimmt MCAS einen zu grossen Raum in meinem Leben ein.

Ein paar Beispiele:

Habe ich genug Gemüse eingefroren oder im Kühlschrank?

Ich kann ja nur wenige Sorten essen…

Ist noch reichlich von dem Wasser in der Abstellkammer?

Ich vertrage nur die eine Sorte…

Morgen sollte ich wieder Schokolade selber machen, die ist bald alle…

Ach ja, und Hirse kochen und in Portionen einfrieren…

Habe ich heute schon einen Leberwickel gemacht?

Uhhh, es riecht so komisch von draussen durchs Fenster! Nicht, dass ich darauf reagiere…

Dann muss ich unbedingt nach einem neuen Deo-Roller Ausschau halten – meine Sorte wurde leider eingestellt, und die neue vertrage ich nicht…

Und so weiter, und so weiter…

Kennt ihr solche Gedanken auch?

In diesen Zeiten bleibt wenig Raum für Spass und vor allem wenig Raum für Leichtigkeit.

Vielleicht schaffe ich es ja, den anderen Seiten von mir wieder mehr Zeit und mehr Lebendigkeit zu geben!

Unabhängig von den guten Vorsätzen im Januar…

Denn, ich könnte mir vorstellen, dass es dem einen oder anderen ähnlich geht.

All den Menschen, die ein chronisches Leiden, oder anderen, ständigen Stress haben:

Es werden immer wieder Tiefs kommen… wieder und wieder.

Und man muss nochmal und nochmal die Kraft haben, sich liebevoll in den Poppes zu knuffen und sich zu ermutigen, die GESUNDEN Anteile wieder lebendig werden zu lassen und zu fördern.

Ich wünsche Euch von Herzen, dass Ihr dazu immer wieder aufs Neue die Kraft und den Mut dazu bekommt!

Dass Ihr auf Menschen trefft, die Euch ernst nehmen und immer wieder mal Trost geben!

Aber auch wir dürfen Ausschau halten und anderen helfen.

Das tut gut und lenkt ein bisschen von den eigenen Themen ab. 

Oder?

So, nächste Woche habe ich meinen zweiten Impftermin.

Ein bisschen Angst habe ich schon.

Da ich jedoch immer wieder bei mir erlebt habe, dass zu grosse Angst mich geschwächt und reaktionsfreudiger gemacht hat, hoffe ich sehr, dass ich es doch wieder schaffe, entspannt zu sein.

Gut, dass ich den Luxus habe, von meinem Mann gefahren zu werden.

Dafür bin ich echt dankbar!

Auch dafür, dass ich es mittlerweile hinbekomme, ihn um etwas zu bitten, oder auch Hilfe anzunehmen, wenn er mich fragt.

Vielleicht sollte ich auch immer wieder mal innehalten und mich fragen:

Was würde mir heute guttun?

Das habe ich mal irgendwo gelesen…

Ich sollte es mir einfach WERT SEIN, mir immer wieder Gutes zu tun!

Einfach… ok, das wird es wohl doch nicht werden…

Aber wie heisst es so schön ironisch:

Einfach?? Das kann ja jeder!

Herzlichst Eure Sabine