Therapie des Mastzellaktivierungssyndroms (MCAS)

Hinweis: Bitte besprechen Sie jegliche Art der Therapie, Veränderung Ihrer Symptomatik oder einen angestrebten Medikamentenwechsel unbedingt vorher mit Ihrem behandelnden Arzt.

Da sich die Überaktivität der Mastzellen bei jedem Patienten mit einem individuellen klinischen Bild präsentiert und sich auch die durch die Mastzellen ausgeschütteten Entzündungs-Botenstoffe (Mediatoren) von Fall zu Fall unterscheiden, muss die Behandlung der Erkrankung stets individuell angepasst werden. Weil es bisher medizinisch nicht möglich ist, vorauszusagen, welche Medikamentenkombination bei welchem Betroffenen die bestmögliche Wirkung erzielt, besteht die einzige Möglichkeit, dies herauszufinden, darin, den Patienten die einzelnen Medikamente einfach ausprobieren zu lassen und den Therapieplan solange anzupassen, bis eine ausreichende Linderung der Beschwerden erzielt ist. Einige Betroffene können mit einer gut eingestellten Medikation wieder ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen, während bei anderen auch nach intensiven Bemühungen keine wirkungsvolle Arzneimittel-Kombination gefunden werden kann.

Ein weitere Hürde bei der Therapie von Patienten mit einem Mastzellaktivierungssyndrom: Viele Betroffene reagieren mit Unverträglichkeitsreaktionen auf diverse Füll- und Zusatzstoffe in Arzneimitteln und manchmal sogar auf den eigentlichen Wirkstoff selbst. In solchen Fällen ist es häufig notwendig, dass der Patient verschiedene Präparate mit dem gleichen Wirkstoff, jedoch einer unterschiedlichen Zusammensetzung der Zusatzstoffe, ausprobiert, bis er schließlich ein Präparat ausfindig machen kann, das er verträgt.

Die standardmäßige Basistherapie des Mastzellaktivierungssyndroms zielt darauf ab, die Mastzellaktivität zu senken und die Wirkung der gängigsten Mastzellmediatoren, allen voran Histamin, abzuschwächen. Sie besteht aus folgenden Bestandteilen:

  • Konsequente Vermeidung individueller Auslöser

    Viele Patienten mit Mastzellaktivierungssyndrom können teils sehr spezifisch Ereignisse/Aktivitäten/Nahrungsmittel/Verhaltensweisen benennen, die ihre Symptomatik verschlechtern. Diese sogenannten „Trigger“ sind für jeden Betroffenen individuell. Ein wichtiger Bestandteil der Therapie besteht darin, seine persönlichen Trigger zu identifizieren und diese anschließend so gut es geht zu meiden.

  • H1-Antihistaminika (z.B. Fexofenadin, Desloratadin)

    Zur Blockierung des Histamin-H1-Rezeptors

  • H2-Antihistaminika (z.B. Famotidin)

    Zur Blockierung des Histamin-H2-Rezeptors

  • Vitamin C (bestenfalls retardiert)

    Zur Hemmung der Mastzelldegranulation im gesamten Organismus

  • Cromoglicinsäure

    Zur Hemmung der Mastzelldegranulation im Magen-Darm-Trakt

  • Ketotifen

    Zur Hemmung der Mastzelldegranulation und der Blockierung des Histamin-H1-Rezeptors im gesamten Organismus

Je nach Beschwerdebild kann und sollte die Basistherapie symptomorientiert ergänzt werden.
Sollte sich trotz Basismedikation in Kombination mit zusätzlichen symptomorientierten Maßnahmen keine ausreichende Besserung einstellen, stehen weiterführende Off-Label-Therapieoptionen zur Verfügung. Hierzu gehören unter anderem:

  • Benzodiazepine (z.B. Lorazepam)

    Medikamente dieser Wirkstoffgruppe werden normalerweise nur eingesetzt, wenn sich der Patient im Schub befindet bzw. wenn sich seine Beschwerden akut verschlechtert haben. In Ausnahmefällen kann allerdings über eine Dauereinnahme nachgedacht werden. Hier ist allerdings äußerste Vorsicht geboten, denn Benzodiazepine haben ein sehr hohes Suchtpotential, auch wenn es wissenschaftliche Hinweise darauf gibt, dass dieses bei Mastzellpatienten geringer ausgeprägt ist.

  • Quercetin

    Hierbei handelt es sich um einen sekundären Pflanzenstoff, der mastzellstabilisierende Eigenschaften aufweist.

  • Acetylsalicylsäure (ASS)

    Auch wenn dieser Wirkstoff bei einigen Patienten zu einer Verbesserung der Beschwerden führen kann, ist äußerste Vorsicht geboten, denn bei einer Vielzahl von Betroffenen kommt es unter der Einnahme zu akuten Verschlechterungen ihres Zustandes.

  • Glukokortikoide (z.B. Prednisolon)

    Medikamente dieser Wirkstoffgruppe helfen vielen Patienten mit Mastzellaktivierungssyndrom enorm. Aufgrund ihrer massiven Nebenwirkungen sollten sie nur vorübergehend bei akuten Verschlechterungen der Symptomatik eingesetzt werden. Bei manchen schwer Betroffenen ist eine Dauerbehandlung allerdings unumgänglich.

  • Cannabinoide (medizinisches Cannabis)

    Vorsicht: Hier bitte unbedingt auf die korrekte Anwendung für diesen besonderen medizinischen Zweck achten! Bitte befragen Sie hierzu einen Arzt, der sich mit der Thematik auskennt.

 

  • Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin)

    Immunsuppressiva unterdrücken das körpereigene Immunsystem. Da dieses bei vielen Mastzellpatienten überaktiv ist, können Medikamente dieser Wirkstoffgruppe zur Therapie des Mastzellaktivierungssyndroms eingesetzt werden, sofern unter Einsatz gängigerer Behandlungsmaßnahmen keine ausreichenden Behandlungserfolge erzielt werden konnten. Auch hier: Eine immunsupprimierende Therapie bei MCAS gehört in die Hände eines erfahrenen Arztes!

  • Anti-IgE-Antikörper (z.B. Omalizumab)

    Omalizumab (Handelsname: Xolair) ist ein Antikörper gegen das Immunoglobulin E und wird hauptsächlich zur Behandlung von therapieresistentem Asthma und der chronischen Urtikaria eingesetzt. Der Wirkmechanismus von Omalizumab basiert auf der „Neutralisierung“ der igE-Antiköper, die bei allergischen Reaktionen ausgeschüttet werden. Aus bislang ungeklärten Gründen scheint der Wirkstoff aber auch bei einigen Mastzellpatienten, die nicht zusätzlich an „klassischen Allergien“ leiden, einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf zu haben. Eine Therapie mit Omalizumab ist allerdings sehr kostenintensiv und kann teils starke Nebenwirkungen verursachen. Das Medikament wird per Injektion in Abständen von vier bis acht Wochen verabreicht. Die ersten Behandlungen werden in der Regel in einem Krankenhaus durchgeführt, damit bei starken Nebenwirkungen sofort entsprechend reagiert werden kann.

  • Tyrosinkinaseinhibitoren (z.B. Imatinib)

    Die Tyrosinkinaseinhibitoren werden eigentlich in der Therapie von schweren Tumorerkrankungen eingesetzt. Allerdings stellen sie auch eine Option in der Behandlung des therapieresistenten und schwer verlaufenden Mastzellaktivierungssyndroms dar. Die Entscheidung über eine Verordnung eines Medikaments dieser Wirkstoffgruppe gehört in die Hände eines erfahrenen Onkologen/Hämatologen.

Quellenangabe

Molderings, Gerhard J. / Britta Haenisch / Stefan Brettner / Jürgen Homann / Markus Menzen / Franz Ludwig Dumoulin / Jens Panse / Joseph Butterfield / Lawrence B. Afrin (2016): Pharmacological treatment options for mast cell activation disease, in: Naunyn-Schmiedeberg’s Archives of Pharmacology, Jg. 389, Nr. 7, S. 671–694, doi: 10.1007/s00210-016-1247-1.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4903110/

Molderings, Gerhard J / Stefan Brettner / Jürgen Homann / Lawrence B Afrin (2011): Mast cell activation disease: a concise practical guide for diagnostic workup and therapeutic options, in: Journal of Hematology & Oncology, Jg. 4, Nr. 10, doi: 10.1186/1756-8722-4-10.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3069946/

Afrin, Lawrence B., MD (2016): Never Bet Against Occam: Mast Cell Activation Disease and the Modern Epidemics of Chronic Illness and Medical Complexity, 1. Aufl., USA: Sisters Media, LLC.